Interviews mit Schlüsselakteuren

1. Was sind Interviews mit Schlüsselakteuren?

Schlüsselakteure sind Personen, die über das Thema bzw. den Bereich, in dem Ihre Innovation angesiedelt ist, die Situation vor Ort und/oder die Positionen wichtiger Akteure und Akteursgruppen gut informiert sind. Mit ihnen wird eine geringe Anzahl vertiefender Interviews geführt. Indem auf das Wissen dieser Informant*innen zurückgegriffen wird, reichen bei sorgfältiger Auswahl der Schlüsselakteure, abhängig von der Komplexität des Themas, bereits drei bis zehn Interviews, um ein gutes Bild der Situation zu erhalten. [1]

Stärken:

  • Geringe zeitliche und finanzielle Ressourcen benötigt: Im Idealfall kann eine Einzelperson innerhalb von wenigen Wochen die Interviews vorbereiten und führen
  • Offen für Modifikation des Themas und Einbringen neuer Argumente durch die Interviewten, somit können auch nicht antizipierte Aspekte erfasst werden

Schwächen

  • Vertiefende Interviews verlangen nicht zu unterschätzende Fertigkeiten und Sensibilität von der Person, die die Interviews durchführt, da diese großen Einfluss auf die interviewte Person nehmen kann. [2] So sollen Antworten durch Fragen so wenig wie möglich beeinflusst werden (keine Suggestivwirkung), andererseits müssen alle relevanten Aspekte abgedeckt werden. Die interviewende Person darf keine Meinungen äußern, soll dabei aber eine möglichst „natürliche“ Gesprächsatmosphäre schaffen; der Eindruck einer Prüfsituation muss vermieden werden. [3]
  • Die erhobenen Daten sind weniger repräsentativ als solche aus Befragungen. Es besteht zudem das Risiko, dass wichtige Aspekte fehlen, wenn unpassende Schlüsselakteure ausgewählt wurden oder zu entscheidenden Akteuren / Gruppen kein Zugang besteht.

2. Wie kann man damit die Akzeptanzfaktoren erheben?

Indem Schlüsselakteure teils indirekt nach der Situation vor Ort, den involvierten Akteuren und bestehenden Konflikten befragt werden und teils direkt nach den Akzeptanzfaktoren der Akteure, mit denen sie sich auskennen, kann mit vergleichsweise wenig Aufwand ein guter Überblick der Akzeptanzfaktoren vieler Akteure oder auch ganzer Akteursgruppen sowie der Rahmenbedingungen erhoben werden.

3. Planung, Durchführung und Nachbereitung

3.1 Identifikation der Schlüsselakteure:

Bei der Identifikation der Schlüsselakteure ist auf Sorgfalt zu achten, da ein Auslassen wichtiger Akteure zu unvollständigen Ergebnissen führt. Zunächst sollten Sie sich an den in den Vorüberlegungen identifizierten Akzeptanzsubjekten orientieren.

Wenn aus diesen Vorüberlegungen noch nicht klar ist, welches die Schlüsselakteure sind, können Sie sich zusätzlich folgende Fragen stellen:

  • An wen würden Sie sich wenden, um sich über das Thema kundig zu machen?
  • Wer legt in diesem Bereich die Spielregeln fest?
  • Wer verfügt über besonderes Wissen und wichtige Ressourcen in Bezug auf das Thema?
  • Wer verfügt über besonders viele Beziehungen mit anderen Akteuren, die mit dem Thema befasst sind?

(in Anlehnung an GIZ S.26) [4]

Wenn Sie selbst diese Fragen nicht beantworten können, können Sie sich eine*n oder mehrere Informant*innen suchen, denen Sie diese Fragen stellen, um die Schlüsselakteure zu identifizieren.
Zusätzlich zu den durch Sie identifizierten Schlüsselakteuren können Sie ein Schneeballsystem nutzen: Am Ende jedes Interviews fragen Sie Ihren Interviewpartner nach weiteren Akteuren, die für das Thema relevant sind. Dabei ist es allerdings wichtig, dass Sie mehrere, voneinander möglichst verschiedene Ursprungsakteure haben, damit nicht nur Akteure aus einem einzigen Umfeld identifiziert werden.

3.2 Vorbereitung der Interviews:

Im zweiten Schritt werden die Interviews vorbereitet. Für die Akzeptanzanalyse empfehlen sich problemzentrierte Leitfadeninterviews. [5] Diese haben den Vorteil, dass sie ein gutes Maß an Offenheit und Flexibilität ermöglichen, indem der Leitfaden an den Verlauf des Interviews und den jeweiligen Interviewpartner angepasst werden kann. Dadurch können auch nicht antizipierte Aspekte von den Interviewten angesprochen werden. Andererseits wird durch den Leitfaden sichergestellt, dass alle relevanten Punkte thematisiert werden. Eine gute, kompakte Übersicht zur Vorbereitung und Durchführung problemzentrierter Interviews finden Sie hier:
https://studi-lektor.de/tipps/qualitative-forschung/problemzentriertes-interview.html
Ausführlichere Informationen und Anleitungen finden Sie zudem in der unter Punkt 6 genannten Literatur.

Was in den Interviews abgefragt werden sollte:

  • Die Akzeptanzstufe der interviewten Person sowie anderer ihr bekannter Akteure
  • die Akzeptanzfaktoren, die diese bedingen
  • Bedeutung der Innovation und deren Auswirkungen für die interviewte Person und andere ihr bekannte Akteure
  • Interessen der Schlüsselakteure in Bezug auf die Innovation und deren Auswirkungen
  • Erwartungen an Innovation – positive und negative
  • Bereits bestehende Konflikte
  • Gibt es bereits Erfahrungen mit ähnlichen Vorhaben und wie waren diese?
  • Gibt es Arbeitsgruppen, Aktionsgruppen oder Verbände im Ort/in der Region?
  • Welche Akteure haben einen besonderen Einfluss oder besondere Ämter in der Gemeinde, im Landkreis etc.?
  • Welche Themen werden aktuell im Ort oder im Landkreis diskutiert?
  • Gibt es alte Konflikte, Feindschaften oder besondere Beziehungen?

(angelehnt an BfN S. 105-106)

Selbstverständlich können darüber hinaus noch weitere Punkte angesprochen werden, zu Beispiel wenn Sie bereits Hypothesen zu vorhandenen Akzeptanzproblemen haben und diese überprüfen möchten.

3.3 Auswertung der Interviews:

Idealerweise werden die Interviews aufgezeichnet, im Anschluss transkribiert und mit theoretisch fundierter Methodik ausgewertet (Anleitungen dazu finden Sie unter Punkt 6: Weiterführende Links und Literatur). Falls dafür keine Ressourcen zur Verfügung stehen, stellen wir Ihnen im Folgenden Anregungen vor, wie sich mit wenig zusätzlichem Zeitaufwand die für die Akzeptanzanalyse wichtigen Informationen aus den Interviews herausarbeiten und für die weitere Nutzung aufarbeiten lassen. Natürlich können Sie diese Methoden der Auswertung auch zusätzlich zu einer tieferen Analyse anwenden. Eine Vorlage der Akzeptanzskala und der Tabelle, die Sie ausdrucken und während des Interviews ausfüllen können, finden Sie zum Download auf der rechten Seite.

Akzeptanzskala

Die Interviewten werden während des Interviews an geeigneter Stelle gebeten, sich und/oder die Ihnen bekannten Akteure auf einer Akzeptanzskala einzuordnen. Diese reicht von völliger Ablehnung (scharfe Kritik an der Innovation, Widerstand) über mehrere Stufen hin zu höchster Akzeptanz (hohe Zustimmung zur Innovation, Unterstützung). Die Skala kann auf einem Blatt Papier aufgemalt werden (sie befindet sich auch auf der Vorlage weiter unten) und die Interviewten markieren ihre eigene Position bzw. die Positionen der Ihnen bekannten Akteure darauf. Nachdem alle Interviews abgeschlossen sind, können Sie die Ergebnisse in einer einzigen Skala zusammenführen. Diese zeigt dann auf, wie sich die Akzeptanz verteilt. Sind die Akzeptanzniveaus sehr unterschiedlich? Gibt es viele Teilnehmende in der Mitte der Skala, die in einigen Punkten Zustimmung signalisieren, andere Aspekte aber kritisch sehen? Das Ergebnis kann dann für die weitere Akzeptanzanalyse genutzt werden.

Beispiel:

Tabelle der Akzeptanzfaktoren

Ebenfalls bereits während der Interviews können Sie eine Tabelle ausfüllen, in die Sie die von den jeweiligen Interviewten genannten Akzeptanzfaktoren eintragen. Ein Beispiel für eine solche Tabelle finden Sie auf dem Notizblatt weiter unten. In der linken Spalte der Tabelle werden die verschiedenen im Interview genannten Argumente oder Aspekte gesammelt. In der rechten Zeile wird deren Wirkung bewertet: Positiv sind Faktoren, die die Akzeptanz erhöhen, negativ sind solche Faktoren, die die Akzeptanz senken. Diese Spalte sollte ausreichend groß gestaltet werden, sodass wenn zutreffend auch Bedingungen für die Wirkung notiert werden können. Häufig können bestimmte Aspekte sich sowohl positiv als auch negativ auf die Akzeptanz auswirken, je nachdem, wie sie im Detail ausgestaltet sind oder welche Kontextbedingungen herrschen. Dabei kann auch gleich die Stärke der Wirkung vermerkt werden, zum Beispiel „+++“ für sehr positiv, „++“ für recht positiv usw. Die ausgefüllte Tabelle kann wiederum für die weitere Analyse genutzt werden.

Beispiel:

Liste der genannten AkzeptanzfaktorenWirkung: Positiv (erhöht Akzeptanz) oder negativ (senkt Akzeptanz) und unter welchen Bedingungen?Klassifikation der Stärke (+++, ++, +, – , – – , – – – )
Faktor APositiv, wenn … gegeben, negativ, wenn … gegeben+++ / –
Faktor BPositiv, wenn in Weise … ausgeführt, negativ, wenn in Weise … ausgeführt+ / – –
Faktor CPositiv für Akteur …, negativ für Akteur …++ / – – –

3.4 Nachbereitung

Die Notizen aus dem Interview, ggf. Akzeptanzskala und Tabelle der Akzeptanzfaktoren sollten nach dem Interview an die Interviewten geschickt werden, damit diese überprüfen können, ob alles korrekt aufgenommen wurde. Zusätzlich können nach jedem Interview die Argumentationsmuster visualisiert werden. Dafür können die Beziehungen zwischen den genannten Akzeptanzfaktoren zum Beispiel in Form einer Mindmap dargestellt werden.

4. Was zu beachten ist

Unerlässlich ist bei dieser Methode einerseits die sorgfältige Auswahl der Schlüsselakteure, da das Risiko besteht, dass bei ungünstiger Auswahl wichtige Aspekte nicht genannt werden. Andererseits ist eine gute inhaltliche Vorbereitung der Gespräche wichtig, da nur mit den richtigen Fragen die benötigten Informationen gewonnen werden können. Zuletzt ist die sensible Durchführung der Gespräche nicht nur entscheidend für deren Verlauf, sondern auch für die weitere Verwendbarkeit der erhobenen Daten. So sind durch Suggestivfragen gewonnene und somit durch den Interviewer stark beeinflusste Informationen nahezu wertlos. [6]

5. Ressourcenaufwand

Generell ist der zeitliche und finanzielle Aufwand für Interviews mit Schlüsselakteuren eher gering einzuschätzen, er kann aber erheblich schwanken, je nachdem, wie viele Interviews geführt werden – was in erster Linie von der Komplexität des Themas abhängt – sowie wie leicht die Interviewpartner zu erreichen sind. Wenn nur sehr wenige Interviews geführt werden, Interviewpartner über eine hohe Bereitschaft zur Teilnahme verfügen und zeitlich gut erreichbar sind und außerdem auf eine methodisch anspruchsvolle Auswertung verzichtet wird, können die Interviews im Idealfall innerhalb von wenigen Wochen vorbereitet und durchgeführt werden. Werden mehr Interviews geführt und sind die Interviewpartner schwer zu erreichen, kann sich der Prozess auch über mehrere Monate hinweg ziehen.
In finanzieller Hinsicht ist vor allem das Gehalt der Person, die die Interviews vorbereitet und durchführt, einzuplanen. Darüber hinaus sollten Sie an Fahrtkosten denken. Diese lassen sich vermeiden, wenn die Interviews telefonisch durchgeführt werden, allerdings ist die Aufzeichnung der Interviews dann technisch komplizierter und Sie können die Interviewten nicht bitten, Akteure beispielsweise auf der Akzeptanzskala selbst einzuzeichnen. Ist zudem eine methodisch fundierte Auswertung geplant, kommen ggf. Kosten für die Transkription der Interviews hinzu.

6. Weiterführende Links und Literatur

Eine ausführliche Anleitung zur Vorbereitung und Durchführung qualitativer Interviews, die auch ohne methodische Vorkenntnisse hilfreich ist, bietet Helfferich: Helfferich, Cornelia (2009): Die Qualität qualitativer Daten: Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. 3. Ed. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften.

Eine Anleitung speziell zur Durchführung problemzentrierter Interviews finden Sie in Lamnek: 
Lamnek, Siegfried (2010): Qualitative Sozialforschung. 5. Aufl. Weinheim: Beltz, S. 332-337: Kapitel 8.4.3: Problemzentriertes Interview

Eine wissenschaftlich-theoretisch fundierte Anleitung für problemzentrierte Interviews findet sich zudem online unter:
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/FORSCHUNGSMETHODEN/Problemzentriert-Interview.shtml

Eine sehr ausführliche Anleitung zur methodisch fundierten Auswertung von Interviews bieten Gläser und Laudel in Kapitel 5 („Auswertung von Experteninterviews mit der qualitativen Inhaltsanalyse“) des folgenden Werks: 
Gläser, J. und Laudel, G. (2004): Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse als Instrumente rekonstruierender Untersuchungen. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften.

Noch vielseitiger ist die folgende Anleitung der Universität Augsburg, die verschiedene Methoden der Transkription und Auswertung genau erklärt:
https://www.philhist.uni-augsburg.de/lehrstuehle/volkskunde/studium_verlinkungen/downloads/leitfaden_interview.pdf