1. Was ist eine Flächenbegehung?
Eine Flächenbegehung oder auch Ortsbegehung ist ein Rundgang vor Ort, der zur Information dienen oder als Diskussionsgrundlage genutzt werden kann. Die Teilnehmenden können sich bei den Fachleuten über flächenbezogene Projekte, Planungen und den Ist-Zustand der Flächen informieren, aber auch ihre eigenen Ideen, Wünsche und Vorstellungen mitteilen.[1] Je nach Zielstellung sind aber auch Rundgänge denkbar, bei denen die Teilnehmenden selbst die Route bestimmen und zeigen und mitteilen können, was aus ihrer Perspektive wichtig ist.
2. Wie kann man mit Flächenbegehungen die Akzeptanz steigern?
Bei ortsbezogenen Projekten ist es hilfreich, sich auch direkt vor Ort ein Bild von der Situation zu machen. Dies gilt nicht nur für die Planenden, sondern auch für alle anderen Akteure. Auf der Fläche selbst geplante Änderungen zu erklären kann helfen, den Innovationsprozess zu veranschaulichen.[2] Zudem wird die Umgebung zum Initiator des Austauschs und Aspekte, die sonst in Vergessenheit geraten würden, können so Beachtung finden.[3] In der Literatur wird die Reichhaltigkeit des Datenmaterials hervorgehoben, das durch Interviews im Gelände erzielt werden kann.[4] Mit GPS und Tonaufnahmen der Veranstaltung ist es beispielsweise sogar möglich, im Nachhinein zu rekonstruieren, an welcher Stelle was gesagt wurde. Damit ergeben sich bei der Auswertung neue Erkenntnismöglichkeiten, die bei einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen unter Umständen nicht gegeben wären.[5] Der gemeinsame Rundgang kann auch dazu beitragen, traditionelle Machtgefälle zu überwinden und die empfundene soziale Distanz zu verringern.[6] Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Teilnehmenden selbst die Route bestimmen und so zu „Tour Guides“ werden. Gerade dieses Vorgehen kann dazu beitragen, den Teilnehmenden Respekt, Wertschätzung und ernsthaftes Interesse an ihrer Meinung zu signalisieren.[7]
3. Planung, Durchführung und Nachbereitung
Zuallererst sollte die Zielstellung festgelegt und klar definiert werden. Dies ist wichtig, um Entscheidungen dazu zu treffen, welche Aspekte der Flächenbegehung von der Veranstalterseite festgelegt werden und über welche Aspekte die Teilnehmenden selbst bestimmen können. Wenn konkrete Orte oder bestimmte ortsbezogene Objekte diskutiert werden sollen, ist es sinnvoll, vorab eine Route festzulegen. Betrifft das Projekt dagegen eine größere Umgebung, könnte unter Umständen auch ein Format gewählt werden, das den Teilnehmenden ermöglicht, über die Strecke zu entscheiden.[8] Sinnvoll ist dies insbesondere, wenn der Fokus der Flächenbegehung darauf liegt herauszufinden, welche Aspekte der Umgebung den Teilnehmenden selbst wichtig sind und ihnen eine aktivere Rolle zukommen soll. Die Entscheidung über die zu begehende Route in die Hände der Teilnehmenden zu legen, bietet sich jedoch nur an, wenn diese mit dem Gebiet einigermaßen vertraut sind, wie z. B. Landwirt*innen oder Anwohner*innen. In jedem Fall ist es für einen reibungslosen Ablauf sinnvoll, sich selbst mit der Umgebung vertraut zu machen.
Des Weiteren muss die Art der Fortbewegung festgelegt werden. Ist es sinnvoll, die gesamte Flächenbegehung zu Fuß durchzuführen oder sind Transportmittel notwendig? Je nach Zielgruppe sollte auch beachtet werden, ob das Gelände für die Teilnehmenden auch ohne eigenes Auto ausreichend gut erreichbar ist oder ob beispielsweise ein Shuttle-Service vom nächstgelegenen Bahnhof eingerichtet werden sollte. Zu prüfen ist zudem, inwiefern vor Ort die Barrierefreiheit gegeben ist. Außerdem können Informationen zur Barrierefreiheit vorab an die Teilnehmenden kommuniziert werden. Wenn im Rahmen der Flächenbegehung bestimmte Orte besucht und diskutiert werden sollen, müssen die dabei zurückzulegenden Wege auf Zumutbarkeit geprüft und bei der Zeitplanung beachtet werden.
Um die Auswertung zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen, muss vorab festgelegt werden, welche Daten aufgenommen werden sollen. Wird vor Ort ein Protokoll geschrieben oder ist eine Tonaufnahme mit anschließender Transkription besser geeignet? Ist es wichtig, wo etwas gesagt wurde? Wenn ja, ist es sinnvoll GPS-Daten aufzunehmen und sie zur Tonspur zu synchronisieren oder reichen Notizen und/oder verbale Hinweise auf der Tonaufnahme?[9] Sind vor Ort angefertigte Skizzen, Fotos oder Videos eine hilfreiche Unterstützung? Entsprechend der Antworten auf diese Fragen müssen die technischen Geräte gewählt werden (z. B. wind-unempfindliche Mikros und GPS-fähige Geräte). Auch die Art und Weise, wie nach Feedback gefragt und die Antworten darauf aufgenommen werden, sollte gut durchdacht sein. Da im freien Gelände die übliche Konferenzraum-Ausstattung nicht vorhanden ist, könnte ein mündliches Blitzlicht eine geeignete Variante sein (mehr zum Thema Feedback finden Sie im Abschnitt Bewertung der Maßnahmen).
Die Flächenbegehung sollte professionell von einer erfahrenen Person geführt werden.[10] Wie lange die Begehung an sich dauert, ist abhängig von der Größe des Gebietes oder der Länge der gewählten Route. In der Regel kann mit einer Dauer von bis zu drei Stunden gerechnet werden. Während der Durchführung der Flächenbegehung ist auf eine angemessene Protokollierung zu achten.[11]
Je nachdem, welche Daten während der Flächenbegehung erhoben werden, erfolgt im Anschluss die Auswertung. Wenn beispielsweise eine Tonaufnahme mit synchronisierten GPS-Daten verwendet wird, bietet es sich an, die Daten in einem qualitativen Geoinformationssystem zu kombinieren.[12] Je nach Ziel der Begehung kann es auch sinnvoll sein, die Teilnehmenden zu einer Nachbesprechung in einen Konferenzraum o. Ä. einzuladen und die Flächenbegehung mithilfe von Kartenmaterial zu reflektieren.
Als Überblick sind die Planungsschritte in der folgenden Liste zusammengefasst:
- Problemidentifikation: Was genau ist die Fragestellung, die bei der Flächenbegehung diskutiert oder näher untersucht werden soll?
- Formulierung des Ziels der Flächenbegehung
- Zielgruppe festlegen
- Entwicklung des Konzepts
- Wieviel Entscheidungsfreiheit wird den Teilnehmenden eingeräumt? Wird die Route vorab festgelegt oder durch die Teilnehmenden bestimmt?
- Welches Gebiet soll mit der Flächenbegehung abgedeckt werden? Gibt es bestimmte Objekte/Orte, die auf jeden Fall begangen werden sollen?
- Wie erfolgt die Fortbewegung?
- Wie kann die Barrierefreiheit bestmöglich garantiert werden?
- Welche Daten werden zur Auswertung benötigt und welche technischen Lösungen werden zur Aufnahme dieser Daten gewählt?
- Welches Material wird vor Ort benötigt (z.B. Kartenmaterial)?
- Auf welche Weise soll das Feedback erfolgen?
- Organisatorische Vorbereitungen
- Terminabstimmung
- Moderation beauftragen
- Einladung der Teilnehmenden
- Vorbereitung des Materials (Karten, etc.)
- Durchführung
- Dokumentation (Protokoll, Tonaufnahmen, Skizzen, Fotos, Videos, GPS-Daten, …)
- Auswertung
4. Was zu beachten ist
Obwohl eine Flächenbegehung gegenüber Veranstaltungen in geschlossenen Räumen für einige Ziel- und Fragestellungen entscheidende Vorteile bieten kann, ergeben sich durch die Durchführung „unter freiem Himmel“ auch zusätzliche Herausforderungen. Wenn die Begehung zu Fuß erfolgt, ist dadurch unter Umständen älteren Menschen und Menschen mit Gehbehinderungen eine Beteiligung nicht möglich.[13] Außerdem spielt das Wetter als nicht beeinflussbarer Faktor eine Rolle. Bei extremen Wetterverhältnissen muss die Veranstaltung eventuell verschoben werden, was für alle Beteiligten eine terminliche Herausforderung ist und wodurch einzelne Teilnehmende möglicherweise abspringen. Auch bei Regen ist es möglich, dass einzelne Interessierte es vorziehen, zu Hause zu bleiben. Alles Material, das zur Flächenbegehung benötigt wird, sollte nach Möglichkeit wind- und wasserfest sein. Weitere mögliche Störfaktoren, der sich nicht immer vermeiden lässt, sind die Geräuschkulisse, die Gespräche und deren Aufzeichnung erschweren kann, und optische oder akustische Ablenkungen.
Auf der anderen Seite bietet eine Flächenbegehung unter anderem den Vorteil, dass sie auch mit spielerischen Elementen kombiniert werden kann. Bei entsprechender Durchführung kann sie sich deshalb auch für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen eignen.[14]
5. Ressourcenaufwand
Der zeitliche Aufwand der Planung und Durchführung einer Flächenbegehung ist als mittel einzuschätzen. Kosten entstehen hauptsächlich als Personalkosten für die professionelle Führung der Flächenbegehung, durch Materialkosten (Kartenmaterial, Mikrofone etc.) und Kosten für die Anfahrt bzw. einen Shuttle-Service, falls notwendig. Abhängig von der jeweiligen Situation kann eine Flächenbegehung deswegen eine relativ günstige Form der Beteiligung sein. Je nachdem, welche Form der Auswertung gewählt wird und wie viele Daten dafür erhoben werden, kann sich die Auswertung relativ komplex gestalten.