Neben den vorangegangenen allgemeinen Empfehlungen zur Vermeidung von Akzeptanzproblemen sollte Partizipation als Methode der Akzeptanzsteigerung in Betracht gezogen werden. Partizipation im weitesten Sinne heißt, Menschen, die nicht zu den Projektverantwortlichen oder Entscheidungsträger*innen gehören, an Entscheidungen zu beteiligen. Im Idealfall umfasst Partizipation die Beteiligung aller, die von der Innovation betroffen sind oder anderweitig mit ihr in Berührung kommen werden, in einem gleichberechtigten Dialog. In der Praxis können aber sehr verschiedene Formen des Mitwirkens an Entscheidungen zur Partizipation gezählt werden (siehe auch Verschiedene Stufen der Partizipation). Mittels Partizipation werden also Austauschmöglichkeiten zwischen unterschiedlichen Akteursgruppen (z. B. Innovator*innen, Entscheidungsträger*innen, Nutzer*innen etc.) ermöglicht und verbessert. Die Beteiligten sollen befähigt werden, zu Entscheidungen beizutragen, sie mit zu entwickeln oder zu beeinflussen. [1]
Verschiedene Stufen der Partizipation
Dabei kann zwischen mehreren Stufen der Partizipation unterschieden werden. Informationsweitergabe, Meinungen erfragen bzw. Stellung nehmen sowie das Einholen von Lebensweltexpertise bzw. das Einbringen von Beiträgen stellen Vorstufen der Partizipation dar, bei denen die Entscheidungen letztlich von den Innovatoren getroffen werden. [2] Dies ist bei höheren Stufen der Partizipation anders. Nun sind die Akteure durch Diskussionen direkt an den Entscheidungsprozessen beteiligt, die Entscheidungen werden gemeinsam oder von den teilnehmenden Akteuren getroffen. [3] Auf Seite der Akteure ist sogar noch eine weitere Stufe denkbar, nämlich wenn Akteure eigenständig und unabhängig von der Koordination aktiv werden.
Dabei sind die verschiedenen Stufen aber keinesfalls als „umso höher, umso besser“ anzusehen. Je nach Projekt und Zielsetzung kann eine andere Stufe am geeignetsten sein. Zudem sind nicht alle Stufen für alle Projekte gleichermaßen relevant.
Stärken der Partizipation – was kann Partizipation leisten?
Partizipation kann die Akzeptanz für eine Innovation auf verschiedene Weise verbessern:
- Vertrauen: Partizipative Prozesse können Vertrauen und Glaubwürdigkeit herstellen. [4] Dies gilt sogar über das laufende Projekt hinaus, da durch Partizipation ein langfristiges Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann, das auch die Akzeptanz für zukünftige Maßnahmen erhöht. [5]
- Transparenz: Partizipation kann Transparenz schaffen und Enttäuschungen vermeiden, da Ziele für alle Beteiligten nachvollziehbar definiert werden. [6]
- Bessere Entscheidungen: Partizipation kann zu ausgewogeneren, besser passenden oder kreativeren Entscheidungen führen, da mehr Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen beteiligt sind und Experten- und „Bürgerwissen“ zusammen gebracht werden. [7] So können Probleme und Schwachstellen frühzeitig identifiziert und die Qualität der getroffenen Entscheidungen verbessert werden. [8]
- Konfliktlösung: Sie bietet zudem die Chance, konstruktive Lösungen für Konflikte zu finden, indem alle Beteiligten miteinander verhandeln, ihre Anliegen geltend machen und gemeinsam Lösungswege entwickeln können. [9]
Eine intensive Beteiligung der Akteure mit als fair empfundenen Entscheidungsprozessen kann sogar dann die Akzeptanz erhöhen, wenn die Ergebnisse nicht den eigenen Präferenzen entsprechen. [10]
Voraussetzungen für erfolgreiche Partizipation
Partizipation führt allerdings nicht zwangsläufig zu den gewünschten positiven Effekten. Schlecht durchgeführte oder falsch angewandte partizipative Methoden können die Akzeptanz sogar abschwächen (siehe dazu auch Grenzen der Partizipation). Grundsätzlich ist es wichtig, dass echte Mitwirkungsmöglichkeiten mit Ergebnisoffenheit bestehen und die Akteure realistisch darüber informiert werden, welche Entscheidungen zur Diskussion stehen. Wichtig ist auch, dass ein gewisses grundsätzliches Vertrauen aller Beteiligten untereinander besteht und offene Kommunikation gewährleistet ist. Auch durch gemeinsam festgelegte Verfahrensregeln können die Erfolgsaussichten der Partizipation gesteigert werden. [11] Oft ist auch eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung essenziell: Partizipation läuft Gefahr zu scheitern, wenn nur einzelne Akteursgruppen beteiligt werden. [12]
Die folgende Checkliste gibt einen Überblick über die Punkte, die für eine erfolgreiche Partizipation beachtet werden sollten:
- Sind die diskutierten Fragen und Themen (noch) verhandelbar?
- Wird den eingeladenen Akteuren Umfang und Art ihrer Mitwirkungsmöglichkeiten realistisch vermittelt?
- Werden die Akteure so früh wie möglich einbezogen?
- Werden alle relevanten Akteursgruppen einbezogen?
- Werden auch schwierig zu erreichende Akteure oder Betroffene miteinbezogen?
- Sind die Akteure ausreichend informiert, um sich kompetent beteiligen zu können?
- Gibt es Hilfestellungen für Akteure mit weniger Fachkenntnis oder auch weniger Ressourcen?
- Wird dafür gesorgt, dass auch während des partizipativen Prozesses niemand übergangen wird?
- Ist das Verfahren für alle transparent?
- Ist die Moderation neutral bzw. überparteilich?
Grenzen der Partizipation
Auch wenn partizipative Verfahren erheblich dazu beitragen können die Akzeptanz von Innovationen zu verbessern, sind sie kein „Allheilmittel“. Zum einen lässt sich Akzeptanz nur bis zu einem gewissen Grad steigern: Auch mit den besten Methoden wird grundsätzliche Kritik an einer Innovation nur in den seltensten Fällen völlig zu beheben sein. Partizipation kann im besten Fall aufklären, Missverständnissen vorbeugen und helfen, die Innovation so zu gestalten, dass Widerstände möglichst gering gehalten werden und Anwender*innen maximalen Nutzen daraus ziehen können.
Zudem gibt es auch bei der Anwendung partizipativer Methoden Grenzen. Diese werden einerseits durch Kosten und Zeit verursacht: Für einen Beteiligungsprozess stehen normalerweise begrenzte Ressourcen zur Verfügung, er kann also niemals völlig perfektioniert werden. [13] Fehlendes Interesse der zu beteiligenden Akteure oder begrenzte (finanzielle oder zeitliche) Ressourcen derselben können außerdem zu mangelnder Beteiligung führen und die Wirksamkeit somit reduzieren. [14] Auch die zu häufige Durchführung von partizipativen Verfahren kann Partizipationsmüdigkeit und somit geringe Beteiligung zur Folge haben. [15]
Eine weitere Grenze besteht bei vielen Verfahren darin, dass Akteure nicht über ausreichend Fachkenntnis verfügen, um sich an teilweise sehr technischen Debatten zu beteiligen. [16] Umgekehrt können auch nicht verhandelbare Positionen oder Akteure mit Vetorecht die Möglichkeiten der Teilnehmenden auf Einflussnahme und somit die Effektivität der Partizipation begrenzen. [17] Gruppendynamiken können bewirken, dass die Meinungen von Minderheiten nicht geäußert werden, wodurch ein „falscher Konsens“ gefunden wird. [18] Ebenso kann ungleich verteilter Einfluss (durch Unterschiede in Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft etc.) dazu führen, dass bestimmte Akteure sich nicht beteiligen oder übergangen werden. [19] Negative Gruppendynamiken können durch eine erfahrene und neutrale Moderationsperson vermieden werden.
Auch die Auswahl der Teilnehmenden hat ihre Grenzen. Einerseits kann es auch bei gründlicher Voranalyse passieren, dass Akteure vergessen und somit nicht eingeladen werden. Andererseits ist es meist auch schlicht nicht möglich, alle Akteure bzw. Akteursgruppen zu beteiligen. [20] Somit bleiben die Ergebnisse partizipativer Verfahren zwangsläufig unvollkommen.
Nicht zuletzt können partizipative Verfahren Akzeptanz sogar verringern und Widerstände erzeugen, nämlich dann, wenn sie falsch eingesetzt werden und Zielsetzung oder Durchführung nicht von allen Beteiligten anerkannt werden. [21] Auch ein unterschiedliches Verständnis über das Ausmaß möglicher Einflussnahme kann zu Akzeptanzverlusten führen, wenn Teilnehmende mehr Einflussmöglichkeiten erwarten als sie letztendlich erhalten. [22] Somit ist Partizipation nicht per se „gut“. Halbherziger oder der Situation nicht angemessener Einsatz partizipativer Verfahren kann zu Ablehnung und Konflikten führen. [23] Um dies zu vermeiden, sollte die Planung und Durchführung von Partizipationsmaßnahmen erfahrenen Personen überlassen werden.
Auf den folgenden Seiten finden Sie Hilfestellungen zur Auswahl geeigneter Methoden zur Akzeptanzsteigerung für Ihr Projekt.
Literatur
[1] Grunenberg, Heiko und Knolle, Maren: Hochwasser- und Küstenschutz unter Klimawandelbedingungen als
besonderes Aufgabengebiet von Partizipation und Kooperation. In: Heinrichs, Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens
(Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für
Sozialwissenschaften, S. 170.
[3] Ebd.;
Davidson, Scott: Spinning the Wheel of Empowerment. Community Planning, April 1998, S. 14-15.
[4] Grunenberg, Heiko und Knolle, Maren: Hochwasser- und Küstenschutz unter Klimawandelbedingungen als
besonderes Aufgabengebiet von Partizipation und Kooperation. In: Heinrichs, Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens
(Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für
Sozialwissenschaften, S. 171.
[5] Newig, Jens: Erleichtert Öffentlichkeitsbeteiligung die Umsetzung (umwelt-) politischer Maßnahmen? Ein
Modellansatz zur Erklärung der Implementationseffektivität. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.): Partizipation,
Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 103-104.
[6] Baranek, Elke und Günther, Beate: Erfolgsfaktoren von Partizipation in Naturschutzgroßprojekten – Das Beispiel:
Moderationsverfahren im Gewässerrandstreifenprojekt Spreewald. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.):
Partizipation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 317-318.
[7] Grunenberg, Heiko und Knolle, Maren: Hochwasser- und Küstenschutz unter Klimawandelbedingungen als
besonderes Aufgabengebiet von Partizipation und Kooperation. In: Heinrichs, Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens
(Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für
Sozialwissenschaften, S. 171.
[8] Newig, Jens: Erleichtert Öffentlichkeitsbeteiligung die Umsetzung (umwelt-) politischer Maßnahmen? Ein
Modellansatz zur Erklärung der Implementationseffektivität. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.): Partizipation,
Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 104;
Baranek, Elke und Günther, Beate: Erfolgsfaktoren von Partizipation in Naturschutzgroßprojekten – Das Beispiel:
Moderationsverfahren im Gewässerrandstreifenprojekt Spreewald. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.):
Partizipation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 317-318.
[9] Grunenberg, Heiko und Knolle, Maren: Hochwasser- und Küstenschutz unter Klimawandelbedingungen als
besonderes Aufgabengebiet von Partizipation und Kooperation. In: Heinrichs, Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens
(Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für
Sozialwissenschaften, S. 171;
Newig, Jens: Erleichtert Öffentlichkeitsbeteiligung die Umsetzung (umwelt-) politischer Maßnahmen? Ein
Modellansatz zur Erklärung der Implementationseffektivität. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.): Partizipation,
Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 103;
Baranek, Elke und Günther, Beate: Erfolgsfaktoren von Partizipation in Naturschutzgroßprojekten – Das Beispiel:
Moderationsverfahren im Gewässerrandstreifenprojekt Spreewald. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.):
Partizipation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 317-318.
[10] Newig, Jens: Partizipation und Kooperation zur Effektivitätssteigerung in Politik und Governance? In: Heinrichs,
Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens (Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und
Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 70;
Newig, Jens: Erleichtert Öffentlichkeitsbeteiligung die Umsetzung (umwelt-) politischer Maßnahmen? Ein
Modellansatz zur Erklärung der Implementationseffektivität. In: Feindt, Peter H. und Newig, Jens (Hrsg.): Partizipation,
Öffentlichkeitsbeteiligung, Nachhaltigkeit. Perspektiven der politischen Ökonomie. Ökologie und
Wirtschaftsforschung, Band 62. Marburg: Metropolis (Dezember 2005), S. 103.
[11] Newig, Jens: Partizipation und Kooperation zur Effektivitätssteigerung in Politik und Governance? In: Heinrichs,
Harald, Kuhn, Katina und Newig, Jens (Hrsg.): Nachhaltige Gesellschaft. Welche Rolle für Partizipation und
Kooperation? Wiesbaden (2011): VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 69.
[12] Fischer-Gäde, Ute: Partizipation. Eine Herausforderung in der Landschaftsplanung. In: Riedel, Wolfgang, Lange,
Horst, Jedicke, Eckhard und Reinke, Markus: Landschaftsplanung (3. Aufl.). Springer: Berlin (2016), S. 155.
[13] Luyet, Vincent, Schlaepfer, Rodolphe, Parlange, Marc B. und Buttler, Alexandre: A framework to implement
Stakeholder participation in environmental projects. Journal of Environmental Management 111 (2012): 217;
Davidson, Scott: Spinning the Wheel of Empowerment. Community Planning, April 1998, S. 14.
[14] Sauer, Alexandra, Luz, Frieder, Suda, Michael und Weiland, Ulrike: Steigerung der Akzeptanz von FFH-Gebieten. BfNSkripten
144 (2005): 89;
Davidson, Scott: Spinning the Wheel of Empowerment. Community Planning, April 1998, S. 14.
[15] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2420.
[16] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2421.
[17] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2421.
[18] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2420.
[19] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2422.
[20] Reed, Mark S.: Stakeholder participation for environmental management. A literature review. Biological
Conservation 141 (2008): 2423.
[21] Sauer, Alexandra, Luz, Frieder, Suda, Michael und Weiland, Ulrike: Steigerung der Akzeptanz von FFH-Gebieten. BfNSkripten
144 (2005): 138.
[22] Sauer, Alexandra, Luz, Frieder, Suda, Michael und Weiland, Ulrike: Steigerung der Akzeptanz von FFH-Gebieten.
BfN-Skripten 144 (2005): 142.
[23] Sauer, Alexandra, Luz, Frieder, Suda, Michael und Weiland, Ulrike: Steigerung der Akzeptanz von FFH-Gebieten.
BfN-Skripten 144 (2005): 87.